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Änderungen für Gemeinnützige durch das Jahressteuergesetz 2019

2. Dezember 2019 – Josef Renner
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    Das sogenannte Jahressteuergesetz (JStG) fasst seit 1995 sämtliche steuerlichen Gesetzesänderungen in einem Gesetz zusammen. Das JStG beinhaltet jeweils jährliche Anpassungen des Steuerrechts an sonstige Rechtsänderungen (z.B. EU-Recht) und Rechtsprechung, Maßnahmen zur Sicherung des Steueraufkommens sowie Vereinfachungen für das Besteuerungsverfahren.

    Verschiebung von Änderungen

    Die meisten zuvor im Gesetzesentwurf vom 8.5.2019 zum JStG 2019 des Bundesministeriums der Finanzen mit der umständlichen Bezeichnung „Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vorgesehenen weitreichenden Änderungen zu den Steuergesetzen für gemeinnützige Körperschaften, wurden auf den Jahresbeginn 2020 verschoben. Die Verschiebung beruht maßgeblich auf einer Unterrichtung von Bundestag und Bundesrat durch die Bundesregierung, dass diese voraussichtlich Anfang 2020 einen Regierungsentwurf zu „Reformbedarfen für die steuerliche Gemeinnützigkeit“ vorlegen werde, d.h. es sind in 2020 massive Änderungen für Gemeinnützige zu erwarten. Es wurden u.a. folgende Änderungen verschoben:

    • Die Änderung von § 4 Nr. 21 und 22 Buchst. a) UStG zur Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen.
    • Die Ausweitung der Zulässigkeit von Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften zugunsten des gleichen steuerbegünstigten Zwecks durch Absatz 3 an § 57 AO sowie die Aufnahme von gemeinnützigen Holdinggesellschaften durch Anfügung eines Absatz 4 an § 57 AO.
    • Anhebung der ehrenamtlichen Ehrenamts- und Übungsleiterpauschale.

     

    Änderungen im Jahressteuergesetz 2019

    Der Gesetzesentwurf des Bundesministeriums der Finanzen wurde sodann durch die Bundesregierung (23.9.2019) und den Finanzausschuss (6.11.2019) überarbeitet. Die überarbeitete Version hat der Bundestag am 7.11.2019 beschlossen.

    Einen Antrag der FDP zur Erweiterung der gemeinnützigen Katalogzwecke (§ 52 Abs. 2 AO) um den „Freifunk“ hat der Bundestag auf Anraten des Finanzausschusses abgelehnt.
     


    Für NPOs ergeben sich aus dem nunmehr am 7.11.2019 vom Bundestag beschlossenen JStG 2019 insbesondere zwei bemerkenswerte Änderungen (§ 4 Nr. 18 UStG; § 4 Nr. 29 UStG) welche am 1.1.2020 Inkrafttreten werden.


     

    1. Neufassung der Steuerbefreiung für Wohlfahrtsleistungen (§ 4 Nr. 18 UStG-neu)

    1. 1 Neuer Gesetzestext für § 4 Nr. 18 UStG

    Zum einen wurde die Vorschrift zur Steuerbefreiung für bisher sogenannte Wohlfahrtsleistungen gem. § 4 Nr. 18 UStG neu gefasst und lautet zukünftig wie folgt:

    „18. eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen, wenn diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, erbracht werden. Etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden. Für in anderen Nummern des § 4 bezeichnete Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht;“.

     

    1. 2 Beschlossene Änderungen § 4 Nr. 18 UStG

    1. 2. 1 Notwendigkeit der Mitgliedschaft

    Die bemerkenswerte Änderung des Gesetzestextes im Zuge der Neufassung ist, dass die vorherige Notwendigkeit der Mitgliedschaft in einem der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege für die Steuerbefreiung von Wohlfahrtsleistungen weggefallen ist.
     

    1. 2. 2 Änderung der Leistungsbezeichnung

    Auch werden die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 18 UStG-neu als mit der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen bezeichnet. Als eng mit der sozialen Sicherheit und der Sozialfürsorge verbunden sind Leistungen grundsätzlich dann anzusehen, wenn sie gegenüber Hilfsbedürftigen erbracht werden. Hierunter fallen beispielsweise folgende Leistungen:

    • Schuldnerberatung im außergerichtlichen Insolvenzverfahren
    • Leistungen der „Tafeln“
    • Leistungen der Frauenhäuser nach § 36a SGB II
    • Die Beratung und Hilfe für Obdach- und Wohnungslose
    • Sozialfürsorgeleistungen des Bundesfreiwilligendienstes
    • Unterstützung von Migranten und Strafentlassenen
    • Grundsätzlich auch die kurzfristige Vermietung an Studenten (eine diesbezügliche Klarstellung wurde angekündigt)

     

    Ab 2020 nicht mehr unter § 4 Nr. 18 UStG

    Jedoch verliert der § 4 Nr. 18 UStG-neu durch die Änderung des gesamten Wortlautes seine Funktion als Auffangtatbestand für Sozialfürsorgeleistungen. Daher sind Leistungen, die unter eine andere Befreiungsvorschrift nach § 4 UStG fallen, nicht mehr nach § 4 Nr. 18 UStG-neu befreit.

    Beispielsweise fallen folgende Leistungen ab 1.1.2020 nicht mehr unter § 4 Nr. 18 UStG-neu:

    • Heilbehandlungen (Befreiung nur nach § 4 Nr. 14 UStG möglich),
    • Eingliederungs- und Teilhabeleistungen (Befreiung nur nach § 4 Nr. 15b und 15c UStG möglich),
    • Betreuungs-und Pflegeleistungen an körperlich, geistig und seelisch hilfsbedürftige Personen (Befreiung nur nach § 4 Nr. 16 UStG möglich) und
    • Verpflegung von Schülern und Studenten (aber Befreiung nach § 4 Nr. 23 Buchst. c) UStG-neu).

    Es müssen daher die Voraussetzungen der jeweiligen Steuerbefreiung vorliegen und ein Rückgriff auf § 4 Nr. 18 UStG-neu ist künftig nicht mehr möglich.
     

    Beispiel: „Essen auf Rädern“

    Nicht mehr umsatzsteuerbefreit sind zudem von einem Menüservice an Hilfebedürftige erbrachte Leistungen. Die Leistungen eines Mahlzeitendienstes (z. B. „Essen auf Rädern“) unterliegen aber unter den Voraussetzungen des § 12 Absatz 2 Nr. 1 oder Nr. 8 UStG dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.

    Insgesamt strebt der Gesetzgeber an, dass trotz Änderung der Leistungsbezeichnung weiterhin gewährleistet bleibt, dass die Hauptaufgaben der anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und deren Mitglieder unverändert von der Umsatzsteuer befreit sind. Streit bestand im Jahresverlauf jedoch massiv bezüglich des Wegfalls der Steuerbefreiung für Verpflegungsleitungen gegenüber Hilfebedürftigen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) hat sich in 2018 mehrfach vehement, aber vergeblich, gegen den Wegfall in mehreren Schreiben ausgesprochen, da die Verpflegungsleistungen durch die Erhebung von Umsatzsteuer für den Endverbraucher (hilfebedürftige Person) teuer werden.
     

    1. 2. 3 Änderung der Definition hoher Gewinne

    Weitreichend ist die Neufassung dahingehend, dass hohe Gewinne von Einrichtungen, die unter § 4 Nr. 18 UStG-neu fallen, schädlich für die Steuerbefreiung sind, was das Risiko der Nacherhebung von Umsatzsteuer beinhaltet. Auch ist der entstandene Gewinn an die jeweilige Einrichtung gebunden. Ungeklärt ist dabei, ob der Träger mehrerer Einrichtungen den Gewinn einer Einrichtung der Sozialführsorge zum Ausgleich des Defizits einer anderen vergleichbaren Einrichtung verwenden darf. Zudem könnten nach dem aktuellen Wortlaut der Regelung auch die Mittelweitergaben an andere gemeinnützige Körperschaften nach § 58 Nr. 2 AO möglicherweise schädlich für die Umsatzsteuerbefreiung sein, da sodann Gewinne nicht einrichtungsbezogen verwendet werden würden.

     

    2. Neu eingefügte Vorschrift zur Umsatzsteuerbefreiung bei Kooperationen (§ 4 Nr. 29 UStG-neu)

    2. 1 Neuer Gesetzestext für § 4 Nr. 29 UStG

    Neu als § 4 Nr. 29 UStG-neu wurde eine Umsatzsteuerbefreiung bei Kooperationen als Kostentragungsgemeinschaften eingefügt und lautet zukünftig wie folgt:

    „29. sonstige Leistungen von selbständigen, im Inland ansässigen Zusammenschlüssen von Personen, deren Mitglieder eine dem Gemeinwohl dienende nichtunternehmerische Tätigkeit oder eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, die nach den Nummern 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 von der Steuer befreit ist, gegenüber ihren im Inland ansässigen Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeiten verwendet werden und der Zusammenschluss von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.“

     

    2. 2 Erklärung der Änderung für § 4 Nr. 29 UStG

    Hierbei sind die Leistungen von zumeist dem Gemeinwohl dienenden Personenvereinigungen an ihre Mitglieder (z.B. Sachmittel- oder Personalüberlassung) von der Umsatzsteuer befreit, soweit es sich nur um eine Kostenerstattung handelt und die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen.

    Die neu eingefügte Vorschrift ist notwendig, da Deutschland die EU-Vorgaben bisher nicht ausreichend umgesetzt hat. Die aktuelle Beschränkung der Steuerbefreiung auf Heilberufe (§ 4 Nr. 14 UStG) stellt eine EU-Vertragsverletzung dar. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 21.9.2017 – C-616/15 (Kommission/Deutschland) festgestellt.

     

    2. 3 Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung für Kostenteilungsgemeinschaften im Einzelnen

    a) Personenzusammenschluss

    Nach bisherigem Verständnis kommt grundsätzlich jede Form von Gesellschaft oder Gemeinschaft in Betracht:

    • Kapitalgesellschaften (AG, GmbH und eG)
    • Personengesellschaften (GbR, OHG, KG und GmbH & Co. KG)
    • Noch unklar: Kommunalunternehmen oder Stiftungen
       

    b) Tätigkeit der Mitglieder des Zusammenschlusses

    • Nicht steuerbare (ideelle, hoheitliche oder kirchliche Tätigkeiten) oder
    • steuerbefreite Tätigkeiten gem. § 4 Nr. 14 bis 18, 20 bis 25 und 27 UStG-neu
       

    c) Sonstige Leistungen

    • Die Vorschrift bezieht sich nur auf sonstige Leistungen (Dienstleistungen)
    • Lieferungen (z.B. Eigentumsübertragung von Sachen) sind nicht umfasst
       

    d) Für unmittelbare Zwecke verwendet und lediglich Kostenerstattung

    • Die Dienstleitung muss unmittelbar einer vorgenannten nicht steuerbaren oder steuerbefreiten Tätigkeit dienen, z.B. die Überlassung eines Sportgeräts von dem Zusammenschluss an ein Mitglied zur Nutzung
    • Es ist lediglich Kostenerstattung möglich, d.h. es darf kein Gewinn durch den Zusammenschluss erzielt werden
      Problem: Bei der Leistung einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft an die Anteilseigener ohne Gewinnerzielung wäre grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben, die die Gemeinnützigkeit der Kapitalgesellschaft gefährden kann. 


    e) Keine Verzerrung des Wettbewerbs

    • Der Zusammenschluss darf das Angebot der Dienstleistung nicht umsatzsteuerbefreit dem allgemeinen Geschäftsverkehr zugänglich machen
    • Sinnvoll ist eine langfristige Zusammenarbeit, sodass kein Angebot an den „Markt“ angenommen werden kann
    • Die Kooperation sollte auch ohne die Umsatzsteuerbefreiung zur satzungsgemäßen Zweckerreichung sinnvoll erscheinen

     

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